Was ist das eigentlich: Erntedank
Mit dem Erntedankfest erinnern Christen an den engen Zusammenhang von Mensch und Natur. Gott für die Ernte zu danken, gehörte zu allen Zeiten zu den religiösen Grundbedürfnissen.
Traditionell werden die Altäre zum Abschluss der Ernte mit Feldfrüchten festlich geschmückt. Auch Kindern soll das Erntedankfest die Zyklen des Jahreslaufes und der Nahrungsproduktion bewusst machen. Es soll zum Beispiel zeigen, wie die Milch in die Tüte und das Gemüse in die Dose kommt.
Lange Zeit gab es keinen einheitlichen Festtermin, weil die Ernte nicht überall zur selben Zeit eingebracht wurde. Viele Gemeinden feiern das Schöpfungsfest daher bereits im September - auch wenn sich inzwischen meist der erste Sonntag im Oktober nach Michaelis etabliert hat.
Das Erntedankfest soll auch deutlich machen, dass der Mensch die Schöpfung Gottes nicht unter Kontrolle hat. Das erste Buch Mose erzählt davon, wie der Mensch selbst Teil der Schöpfung ist und wie er von Gott beauftragt wurde, die Erde zu bebauen und zu bewahren. Gerade vor dem Hintergrund des Bewahrens spielen heute Themen wie Umweltschutz, Nachhaltigkeit oder auch die Gentechnik eine immer größere Rolle bei diesem Kirchenfest, das etwa seit dem dritten Jahrhundert begangen wird. Und der immer stärker um sich greifende Klimawandel stellt die Landwirtschaft und damit die Produktion von Nahrungsmitteln vor tiefgreifende Herausforderungen.
Mit der in den Mittelpunkt gerückten Bitte des Vaterunsers "unser tägliches Brot gib uns heute" erinnert die Kirche an Erntedank an die katastrophale Ernährungssituation in den ärmsten Ländern der Erde. Für viele Menschen ist es keinesfalls selbstverständlich, tagtäglich Brot auf dem Tisch zu haben. Fast eine Milliarde Menschen leidet Hunger - und dass, während andere im Überfluss leben und die Verschwendung von Lebensmitteln auf der Tagesordnung steht. Allein in Deutschland wandern im Jahr pro Kopf rund 80 kg Lebensmittel in den Müll. Über die Hälfte davon könnte noch gegessen werden.
Mit dem, was Europa und die USA wegwerfen, könnte ganz Afrika mehr als satt werden. Diese Zahlen hat "Brot für die Welt" herausgegeben und eine Abkehr von der ungeheuren Verschwendung gefordert. Gleichzeitig werden am Erntedankfest Bilanzen gezogen: welche Ernteerträge eingefahren wurden, was das Jahr bislang gebracht hat und wie es weitergeht.
Sinnbildlich steht die Ernte auch für eine Zäsur, die deutlich macht, das etwas zu Ende gegangen ist. Der Sommer verabschiedet sich, Herbst und Winter stehen vor der Tür. Eigentlich ist das auch ein guter Zeitpunkt, für sich selbst Bilanz zu ziehen: Was habe ich erreicht? Welche Ernte habe ich eingefahren? Dabei soll es weniger um messbare Zahlen oder materiellen Wohlstand gehen, sondern vielmehr um die Frage nach der eigenen Lebenssituation und Zufriedenheit.
Vielleicht sind die vermeintlichen Erntefrüchte bei näherer Betrachtung nichts, was satt machen kann. Ein immer weitergehendes Wachstum und immer größerer Wohlstand kann keine Dauerlösung sein. Ressourcen sind nicht in unendlichem Maße verfügbar und nicht alles, was erreicht werden kann, ist auch erstrebenswert. Allerorten treten gesellschaftliche Probleme zutage, die ihren Ursprung darin haben, dass weder Maß noch Ziel eine Rolle gespielt haben. Niemand hat gesagt, wann es denn genug sei.
Die Dankbarkeit gegenüber Gott ist das, was an Erntedank im Mittelpunkt steht. Indem wir die Erntegaben vor Augen haben, können wir uns an die Schöpfungsgeschichte zurückbesinnen und uns darüber klar werden, was das Bebauen und Bewahren wirklich bedeutet - und welche Verantwortung damit verbunden ist.